Konzentrationslager Visco: eine vergessene Geschichte.
Die Gemeinde Visco liegt in der Provinz Udine und ist eine der flächenmäßig kleinsten Italiens. Seit dem Jahre 2001 ist sie darum bemüht, eine große aufgelassene Kaserne für Zivilzwecke zu verwenden.
Auch in anderen Ortschaften Friauls besteht dieses in mehrerer Hinsicht nicht leicht zu lösendes Problem. Es geht um sehr große, teilweise im Verfall befindliche Areale, die noch Staatsgut sind oder zu Verwaltungvermögen der jeweiligen Gemeinde wurden.
In Visco handelt es sich um eine Fläche von zirka 120.000 Quadratmetern auf einem Gebiet, das jahrhundertelang durch eine Grenze geteilt war. Derzeit sind noch Bauten eines Konzentrationslagers vorhanden, welches während des Krieges (in der Zeit zwischen Februar und September 1943) vom italienischen Faschismus für in Jugoslawien verhaftete Menschen errichtet wurde.
In Visco handelt es sich um eine Fläche von zirka 120.000 Quadratmetern auf einem Gebiet, das jahrhundertelang durch eine Grenze geteilt war. Derzeit sind noch Bauten eines Konzentrationslagers vorhanden, welches während des Krieges (in der Zeit zwischen Februar und September 1943) vom italienischen Faschismus für in Jugoslawien verhaftete Menschen errichtet wurde.
Die Gedächtnispflege ist jedoch eine über den lokalen Tatbestand hinausgehende moralische Pflicht.
Sechs Jahrhunderte einer einzigartigen, unüberbietbaren, anderswo unvorstellbaren Geschichte, die fast unglaublich wirkt, sind vergangen. Wir sollten versuchen zu verhindern, dass diese Geschichte wegen jener hartnäckig gewollten Ignoranz verschwiegen wird. Indem man schuldhaft versucht, die Geschichte zu manipulieren und zu vertuschen, indem man versucht Überprüfungen und Nachforschungen zu vermeiden, um damit im lokalen Mikroambiente zu profitieren, hält man dieses Land von einer kulturellen Chance ab, deren Bedeutung über den Ort, die Region und den Staat hinausgeht.
Selbst aus einem ideologischen und daher voreingenommenen Gesichtspunkt öffnet dieser Fleck Boden trotz allem in jeder Hinsicht (mit den vorhandenen Kasernen und dem einstigen KZ) eine Welt für uns.
Man soll sich mit ihr auseinandersetzen, ansonsten reduziert sich dieser Fleck wirklich nur auf ein paar Hundert Quadratmeter mehr oder weniger vergrasten Boden, der sich bloß hinstreckt ohne jeglichen Bezug auf das, was dieser Ort einmal war: ein Ort tragischer menschlicher Schicksale.
Grenze: Jahrhunderte lang hörte man in diesem Landstrich jenes Wort.
Die Römer hatten dem Begriff sogar einen Gott gewidmet, den Gott Terminus.
Die Römer wurden hier vom italienischen Faschismus in die Geiselhaft einer nationalistischen Gesinnung genommen, deren erste Funken im XIX. Jahrhundert als “Frühling der Völker” sprühten, um dann im folgenden Jahrhundert zu explodieren. Die Tragödie wurde durch ein sinnloses Mehrwertigkeitsgefühl verursacht, welches einem “Ich ja, aber Du nicht” folgte.
Es war keine ‘gute Grenze’ wie der friulanische Dichter Celso Macor sagte, nie lokal und gemeinsam mit den Nachbarländern wirkend, sondern jener raue Raum, wo der italienische Faschismus mit anmaßendem Mehrwertigkeitsgefühl das Miteinander der Völker, ihre gegenseitigen Beziehungen, ihr Zusammenleben in Frage stellte.
Das war nicht immer so. Als es Anfang des XVI. Jahrhunderts in unserer Gegend noch eine Grenze gab, handelte es sich um die Grenze zwischen Venedig im Westen und der Grafschaft von Görz im Osten: sie war eine Begegnungszone der venezianischen-lateinischen Welt mit Slawen, Deutschen und Magyaren..
IAn dieser Grenze zeigten sich positive Aspekte wie der Austausch von Kunst und Kleinhandel, sowie negative wie Schmuggel und Banditenüberfälle. Wegen der noch nicht erfolgten modernen Organisation der Staaten und der Konflikte zwischen den Mächtigen gab es Grenzüberschreitungen, Viehdiebstahl, Zollstreitigkeiten und Steuerprobleme.
Zur Zeit der Besetzung durch Napoleon (1797-1815) war die Lage ziemlich wirr. Wegen eines falschen ‘Te Deums’ lief der Erzbischof von Udine Baldassarre Rasponi Gefahr erschossen zu werden; der Pfarrer von Gradisca, Freiherr Sigfrido Baselli strich seit damals das Te Deum aus der Messe. Im Krieg im Jahr 1866 und nach der Festlegung der Grenzen zwischen dem Königreich Italien und Österreich-Ungarn war es nicht anders..
Die Lage änderte sich offiziell erst im Jahre 1920 nach dem Anschluss dieser Gebiete an Italien.
Im Laufe der genannten Jahrhunderte passierte hier also allerlei, darunter auch die Gründung der wunderbaren Festungsstadt Palmanova (1593), welche zur Folge hatte, dass die Wichtigkeit von Gradiska immer geringer wurde.
Stets in Bewegung und durchlässig zur Zeit Napoleons, wurde die Grenze nach dem Wiener Kongress (1815) wieder stabil und trennte das illyrische Königsreich im Osten und Venetien-Lombardei im Westen, damals beides Gebiete der österreichischen Monarchie.
Das Jahr 1915 brachte die italienische Besetzung und die Benützung der gegenwärtigen Kasernen von Visco als Spital, zuerst in Form eines Zeltlagers.
Nach dem Durchbruch von Flitsch-Tolmein entstand hier Borgo Piave, ein Flüchtlingslager für 400 Personen, die ihre zerstörten Dörfer entlang des linken Piave-Ufers (damals die neue Frontlinie) hatten verlassen müssen.
In der ersten Nachkriegszeit wurde Visco zum Artilleriedepot, und im Jahre 1941 entstand hier eine Kaserne für Hufschmiede-Abteilungen. Sie sollten die italienische Kavallerie unterstützen, die nach dem 6. April 1941 im angegriffenen Jugoslawien eingesetzt war.
Konzentrationslager von Februar bis September 1943 mit einer viel größeren Fläche als jetzt: ca. 120.000 Quadratmeter).
Es gehörte zum irrwitzigen Vorhaben, Slowenien zu entnationalisieren (es gab darunter aber auch Gefangene aus Serbien, Kroatien, Bosnien und Montenegro…). Dazu gehörten auch kleinere Gefangenschaftslager in Görz, Sdraussina (GO), Fossalon (Go), Gonars (UD), Monigo (TV), Bosco Chiesanuova (PD)…
Im Jahre 1944 wurde das KZ Visco zum Depot der deutschen Wehrmacht: einer Gruppe von dreißig Partisanen der GAP Bassa Friulana unter dem Kommando von Ilario Tonelli (Martello) gelang es mit einer mutigen Aktion einen Lastwagen mit einem mit Waffen beladenen Anhänger zu stehlen..
Im Jahre 1945 entwaffneten hier die Engländer rund 15/20.000 Tschetniks.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Kaserne Luigi Sbaiz, dem Träger der goldenen Kampf-Medaille für seine Mitwirkung mit den von Süden kommenden Alliierten gewidmet.
1947 diente Visco als Unterkunft für Steuerpolizisten und Carabinieri, die auf dem Weg nach Görz waren, um diese Stadt wieder in Besitz zu nehmen.
In der Folge wurde Visco zur Kaserne für tausende Jungmänner aus ganz Italien, die ihren Militärdienst dort absolvieren sollten. Im Jahr 1996 wurde die Kaserne geschlossen und seit 2001 gehört sie zum Verwaltungsvermögen der Gemeinde Visco.
Aus den oben dargelegten Ausführungen, ergibt sich die Notwendigkeit, alles was vom ehemaligen KZ erhalten ist (die Kaserne ist nur ein kleiner Teil davon) zu retten. Das kann durch das Projekt “Museum der Grenze” erfolgen. Dieses Projekt wurde von mir entworfen und von vielen Intellektuellen (darunter Boris Pahor) begrüßt.
Das Museum sollte im schönen Gebäude des ehemaligen österreichischen Zolls untergebracht und ein Zentrum für Tagungen und Studien werden, die sich damit beschäftigen, wie sich die Geschichte Europas auf die Zeitläufte dieses ehemaligen Grenzgebietes ausgewirkt hat.
Ferruccio Tassin